Mental Health im Arbeitsrecht

Mental Health im Arbeitsrecht

Inhaltsverzeichnis

Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz

Proaktiver Schutz der mentalen Gesundheit von Mitarbeitern führt nicht nur zu weniger Krankheitstagen, sondern erhöht außerdem die Produktivität und verringert die Mitarbeiterfluktuation. Diese Ergebnisse der 2024 erschienenen Studie „Mind Your Health in the Workplace” unterstreichen, dass mentale Gesundheit am Arbeitsplatz nicht nur nice-to-have ist, sondern von jedem Arbeitgeber einbezogen werden sollte. 

Ein weiterer Punkt, der die Wichtigkeit von mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz betont, ist die Häufigkeit: Ein Großteil der Beschäftigten hat schon psychischen Belastungen im Zusammenhang mit der Arbeit erlebt. Laut der Studie haben drei Viertel der Erwerbstätigen schon unter arbeitsplatzbezogenen psychischen Problemen gelitten. 

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Pflichten des Arbeitgebers für die mentale Gesundheit

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der psychischen und mentalen Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu ergreifen. Sowohl das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz als auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bilden hierfür die rechtliche Grundlage. 

Arbeitsschutzgesetz

Arbeitgeber sind im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes dazu verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Um die Gefährdung zu beurteilen, müssen Arbeitgeber Stressfaktoren, Arbeitsintensität, soziale Beziehungen bei der Arbeit und die Arbeitsumgebung analysieren.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Ist ein Angestellter innerhalb von 12 Monaten länger als sechs Wochen krankgeschrieben, muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten. Dabei werden basierend auf der konkreten Beeinträchtigung eine Schritt-für-Schritt-Integration in den Job gestaltet und Möglichkeiten erörtert, wie der Arbeitgeber mögliche Belastungen am Arbeitsplatz verringern kann. 

Fürsorgepflicht

Wird die mentale Gesundheit durch die Arbeit beeinträchtigt, ist der Arbeitgeber aufgrund der Fürsorgepflicht dazu verpflichtet, sämtliche ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Situation zu verbessern und betroffene Arbeitnehmer zu unterstützen. 

Was beeinflusst die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz?

Nach der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) wirken vor allem folgende Faktoren positiv auf die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz auf und reduzieren die Gefährdungen durch psychische Belastung:

  • Ein angemessener Grad an Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Angestellten in Bezug auf Tempo, Vorgehensweise und Vorrang von Aufgaben.
  • Ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsmenge und Arbeitszeit.
  • Klar definierte Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse aller Arbeitnehmer.
  • Die Vermeidung häufiger oder langandauernder Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit.
  • Soziale Unterstützung und Anerkennung durch Vorgesetzte und Kollegen.
  • Klar begrenzte und dokumentierte Arbeitszeiten, die den arbeitszeitgesetzlichen Vorgaben entsprechen.
  • Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass ausreichend Pausenzeiten möglich sind. Ebenso wir ausreichende Ruhe- und Erholungszeiten.
  • Arbeitszeiten müssen für die Beschäftigten vorhersehbar und planbar sein
  • Das Recht auf Mitsprache bei der Arbeitszeitgestaltung.
  • Die Berücksichtigung aktueller arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Gestaltung von Schichtarbeit (beispielsweise Vorwärtswechsel der Schichten, möglichst ein freier Abend in der Woche, nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander).
  • Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Mobbing und Bossing (destruktiven Verhaltensweisen von Vorgesetzten oder Kollegen).
  • Maßnahmen, die Mitarbeiter vor Gewalt, Aggressionen, Bedrohungen und Übergriffen durch andere Personen bei der Arbeit schützen.
  • Unterstützungs- und Bewältigungsmöglichkeiten im Umgang mit emotional belastenden und traumatischen Ereignissen bei der Arbeit.

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Muss der Arbeitgeber über psychische Erkrankungen informiert werden?

Die Offenlegung einer psychischen Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber ist eine persönliche Entscheidung, die gut überlegt sein sollte. Es gibt keine gesetzliche Pflicht, den genauen Grund einer Erkrankung anzugeben. Dennoch kann eine offene Kommunikation in vielen Fällen hilfreich sein, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Darf mein Chef fragen, welche Krankheit ich habe?

Fragen nach dem Gesundheitszustand von Mitarbeitenden sind unzulässig. Grundsätzlich kann der Vorgesetzte zwar fragen, woran sie erkrankt sind, als Arbeitnehmer müssen sie darauf allerdings nicht antworten, und hat das Recht zu lügen. Eine Ausnahme kann nur dann bestehen, wenn beispielsweise aufgrund einer Infektionsgefahr ein Ansteckungsrisiko für andere Mitarbeiter oder Kunden besteht.

Sind Depressionen ein Kündigungsgrund?

Eine Depression oder andere psychische Erkrankungen sind grundsätzlich kein Kündigungsgrund. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter sehr strengen rechtlichen Anforderungen möglich.

Für eine krankheitsbedingte Kündigung müssen folgende Kriterien erfüllt werden:

  1. Es muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen.
  2. Es müssen erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen bestehen.
  3. Die Interessenabwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied beispielsweise in einem Fall (Az. 5 Sa 350/15), dass eine Depression nicht automatisch zu einer negativen Gesundheitsprognose führt und somit nicht ohne Weiteres eine Kündigung rechtfertigt.

Wer krankheitsbedingt gekündigt wird, sollte unbedingt die Kündigung auf Rechtmäßigkeit überprüfen lassen, idealerweise durch einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht. Wichtig ist es, schnell zu handeln, da es im Kündigungsrecht kurze Fristen gibt, die ein späteres Vorgehen gegen die Kündigung (und damit den Erhalt einer Abfindung) so gut wie unmöglich machen.

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Rechtliche Schritte bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz

Wenn Arbeitnehmer unter erheblichen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz leiden und der Arbeitgeber trotz Hinweisen keine Maßnahmen ergreift, können rechtliche Schritte in Betracht gezogen werden. In der Praxis ist es allerdings meistens sehr schwer nachzuweisen, dass ein Mitarbeiter aufgrund der Arbeitsbelastung mental krank geworden ist (und nicht aus privaten Gründen). 

Überlastungsanzeige

Als Arbeitnehmer eine Überlastungsanzeige einreichen. Dies ist eine schriftliche Mitteilung an den Arbeitgeber, die auf die Überlastungssituation und mögliche Folgen hinweist.

Meldung beim Betriebsrat

Falls ein Betriebsrat vorhanden ist, sollte dieser über die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz informiert werden. Der Betriebsrat muss alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ergreifen und seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, eine umfassende psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. 

Klage auf Schadenersatz

In schwerwiegenden Fällen kann eine zivilrechtliche Klage gegen den Arbeitgeber in Erwägung gezogen werden. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az. 9 Sa 1280/14) entschied beispielsweise, dass ein Arbeitgeber Schadensersatz leisten musste, weil er trotz Kenntnis der Überlastung eines Mitarbeiters keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hatte. 

Weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen

Geht die Missachtung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz Hand in Hand mit einer arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung, kann auch eine Klage am Arbeitsgericht infrage kommen. Etwa wenn Überstunden oder Zuschläge für Nachtarbeit nicht bezahlt werden. In diesen Fällen sollten sich Betroffene an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden und weitere Schritte besprechen. 

Meldung bei der Aufsichtsbehörde

Verletzt der Arbeitgeber seine Arbeitsschutzpflichten, kann die zuständige Aufsichtsbehörde informiert werden, um weitere Maßnahmen zu ergreifen und beispielsweise Kontrollen durchzuführen. In den meisten Bundesländern liegt die Zuständigkeit für Arbeitsschutz bei der Gewerbeaufsicht oder dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit.

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