In Deutschland erhalten aktuell rund 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente (oder kurz: EM-Rente). Einen Anspruch auf diese Rente haben Personen, die beispielsweise aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Krankheit nicht mehr (oder nur noch sehr eingeschränkt) arbeitsfähig sind.
Schnell und einfach zum Anwalt: Buchen Sie jetzt Ihre Online-Rechtsberatung
Erwerbsminderungsrente: Voraussetzungen
Die Hürden für die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente sind hierzulande hoch. Rund 40 % aller Anträge auf Anerkennung einer verminderten Erwerbsfähigkeit werden abgelehnt. Um einen Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente zu haben, müssen Antragsteller verschiedene versicherungsrechtliche und medizinische Voraussetzungen erfüllen. Die rechtlichen Grundlagen hierzu sind in § 43 SGB VI geregelt:
§ 43 SGB VI: Rente wegen Erwerbsminderung
(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Damit die Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, müssen Antragsteller verschiedene versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllen. So dürfen Antragsteller beispielsweise die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben. Die Regelaltersgrenze liegt in Deutschland derzeit bei 67 Jahren. Darüber hinaus müssen Antragsteller mindestens fünf Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Dabei müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit eingezahlt worden sein.
Medizinischen Voraussetzungen für den Antrag auf EM-Rente
Neben den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müssen Antragsteller auch medizinische Voraussetzungen erfüllen, um eine Chance auf die Erwerbsminderungsrente zu haben.
In einem ersten Schritt prüft der Rentenversicherungsträger, ob die Arbeitsfähigkeit durch medizinische oder berufliche Gesundheitsmaßnahmen gegebenenfalls wieder hergestellt werden kann. Denn es gilt: „Reha vor Rente“. Zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit werden von der Rentenversicherung medizinische Gutachten eingeholt.
Wenn die Arbeitsfähigkeit auch mithilfe von Reha-Maßnahmen nicht wiederhergestellt werden kann, wird eingeschätzt, wie viele Stunden der Antragsteller pro Tag arbeiten kann. Diese Einschätzung dient als Grundlage für die Feststellung, ob eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente infrage kommt.
Sie benötigen rechtliche Hilfe? Prüfen Sie jetzt in unter 2 Minuten Ihre Ansprüche. Schildern Sie uns Ihren Fall und finden Sie heraus, ob und wie wir Ihnen helfen können.
Wie lange wird Erwerbsminderungsrente gezahlt?
Die Erwerbsminderungsrente wird in der Regel nicht dauerhaft, sondern nur für einen bestimmten Zeitraum gezahlt. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente besteht nur so lange, wie die Erwerbsminderung vorliegt. Die EM-Rente kann daher nur dann unbefristet gewährt werden, wenn absehbar ist, dass die Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt wird oder der Antragsteller auf Dauer weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann. Wenn sich der Gesundheitszustand des Rentners wieder verbessert, geht der Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente verloren.
Wo stellt man den Antrag auf EM-Rente?
Die Erwerbsminderungsrente muss bei der Deutschen Rentenversicherung in schriftlicher Form beantragt werden. Wer keinen Antrag stellt, dem wird die EM-Rente nicht bewilligt. In den meisten Fällen wird die EM-Rente erst ab dem siebten Monat nach Eintritt der Erwerbsminderung gezahlt.
Bei der befristeten Erwerbsminderungsrente ist es sehr wichtig, dass rechtzeitig (am besten etwa sechs Monate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums) ein Antrag auf Weiterzahlung beim Rentenversicherungsträger gestellt wird.
Bei welchen Krankheiten bekommt man Erwerbsminderungsrente?
Eine Diagnose sichert nicht automatisch den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Entscheidend für die Rente ist, wie stark die Einschränkung ist, einem Beruf regelmäßig nachzugehen.
Zu den möglichen Krankheiten, bei denen eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wird, gehören unter anderem:
Psychische Erkrankungen
64.582 der Zugänge an EM-Renten sind aufgrund von psychosomatischen und psychischen Erkrankungen (wie beispielsweise Depressionen oder Anpassungsstörungen). Damit machen sie fast die Hälfte (39,4 %) aller Erwerbsminderungsrenten aus. Im Vergleich hat sich dieser Wert in den letzten Jahren fast verdoppelt: 1996 betrug der Anteil der psychischen Erkrankungen noch 20,1 %.
Krebs
Fachleute schätzen, dass jedes Jahr knapp 500.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs erkranken (Stand 2024). Allein das Bestehen einer Erkrankung an Krebs gibt keinerlei Auskunft über die berufliche Leistungsfähigkeit eines Menschen. Insbesondere kann auch nicht abgeleitet werden, ob die Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorliegen oder nicht. Während ihrer Krebserkrankung leiden jedoch rund 70 % bis 90 % aller Betroffenen unter tumorassoziierter Fatigue. Diese Folgeerkrankung beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Arbeitsfähigkeit. Betroffene haben die Möglichkeit, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Nach dem Prinzip "Reha vor Rente" kann es ratsam sein, vor der Beantragung der Rente eine onkologische Reha zu beginnen.
Orthopädische Krankheiten
Generell schränken orthopädische Krankheiten, wie zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, Spinalkanalstenosen und Prolapse, lediglich die schweren und mittelschweren Tätigkeiten auf ein Leistungsvermögen von unter sechs Arbeitsstunden täglich ein. Sollte kein Berufsschutz für eine teilweise Rente auf Grund von Berufsunfähigkeit vorliegen, wird davon ausgegangen, dass leichte Tätigkeiten noch ausgeführt werden können. Aus diesem Grund wird der Antrag auf EM-Rente häufig abgelehnt. Wer unter chronischen Rückenproblemen leidet, sollte sich mit dem Thema Schwerbehinderung beschäftigen. Dabei steht nicht nur der besondere Kündigungsschutz im Vordergrund. Das Merkzeichen einer Schwerbehinderung kann dem Betroffenen das Leben in vielen Bereichen leichter machen.
Was ist der Unterschied zwischen voller Erwerbsminderungsrente und Teilerwerbsminderungsrente?
Wer teilweise erwerbsgemindert ist, kann noch unter sechs Stunden täglich arbeiten. Wer voll erwerbsgemindert ist, kann weniger als drei Stunden täglich arbeiten. Der wesentliche Unterschied zur Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht folglich in dem zeitlichen Umfang, in dem noch gearbeitet werden kann.
Um die Teilerwerbsminderungsrente erhalten zu können, müssen Antragsteller nachweisen, dass diese wegen einer körperlichen oder psychischen Erkrankung oder einer Behinderung nicht mehr als sechs Stunden täglich arbeiten können. Da viele Anträge auf Teilerwerbsminderung abgelehnt werden, sollten Antragsteller erst einmal ihren Anspruch auf maximal 78 Wochen Krankengeld von der Krankenkasse ausschöpfen. Diese Zeit kann beispielsweise genutzt werden, um zu versuchen, mithilfe einer Reha wieder fit zu werden und die volle Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen.
Dank der Teilerwerbsminderungsrente können Betroffene weiter im Berufsleben bleiben. Oft hat der Arbeitgeber Verständnis und lässt Betroffene trotz der Einschränkungen weiter (in Teilzeit) arbeiten. Vorteilhaft an der Teilerwerbsminderungsrente ist auch die Zurechnungszeit: Obwohl bereits Rente ausgezahlt wird, füllt die gesetzliche Krankenkasse den Bewilligungszeitraum durch Beitragszahlungen aus. Wer beispielsweise mit 55 Jahren in Teilerwerbsminderungsrente geht und sich dann mit 60 Jahren pensionieren lässt, erhält eine Rentenzahlung in dem Umfang, als hätte er bis zum Alter von 59 Jahren in die Rentenkasse eingezahlt worden. Ein weiterer Vorteil an der Teilerwerbsminderungsrente ist, dass sich Empfänger im Rahmen eines Nebenjobs Geld hinzuverdienen dürfen. Die Grenzen für Hinzuverdienste werden immer individuell berechnet.
Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente 2024?
Die Renten wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung unterscheiden sich auch in der monatlichen Höhe. Die volle Erwerbsminderungsrente ist doppelt so hoch wie die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die genaue Höhe der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit setzt sich aus den bisher erworbenen Rentenpunkten, dem aktuellen Rentenwert und dem Rentenartfaktor zusammen. Alternativ kann die Höhe der Erwerbsminderungsrente auch der Renteninformation entnommen werden.
Formel für die volle Erwerbsminderungsrente
Entgeltpunkte × Rentenwert × 1,0 = Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente
Formel für die Teilerwerbsminderungsrente
Entgeltpunkte × Rentenwert × 0,5 = Höhe der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Tipps und Tricks für den Antrag auf Erwerbsminderungsrente
1.) Vorbereitung auf den Antrag
Wer einen Antrag auf EM-Rente stellen möchte, sollte erst einmal bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Kontenklärung stellen und den Versicherungsverlauf vollständig machen. Der Versicherungsverlauf wird außerdem allen Versicherten ab 27 Jahren jährlich übersandt. Für einen vollständigen Antrag auf Erwerbsminderungsrente sollten die Erkrankung und alle daraus resultierenden Einschränkungen möglichst lückenlos dokumentiert werden.
In einer tabellarischen Übersicht können
- Krankheitsverläufe,
- wichtige Behandlungen,
- Operationen sowie
- Reha-Maßnahmen
besonders übersichtlich dargestellt werden.
Dem Antrag sollten außerdem belegende Dokumente wie etwa Arztbriefe oder Befunde beigefügt werden. Diese sollten jedoch am besten nur als Kopien beigefügt werden. Die Originaldokumente sollten stets beim Antragsteller bleiben.
2.) Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung
Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente kann schriftlich, persönlich oder per Online-Verfahren gestellt werden. Wer seinen Antrag schriftlich stellen möchte, kann das Formularpaket zur EM-Rente auf der Website der Deutschen Rentenversicherung herunterladen. Nachdem der Antrag ausgefüllt und unterschrieben wurde, kann dieser an die Deutsche Rentenversicherung geschickt oder in einer Beratungsstelle persönlich abgegeben werden. Nachdem die Dokumente bei der Deutschen Rentenversicherung eingegangen sind, schickt diese eine Eingangsbestätigung an den Antragsteller. Dann erfolgt die Prüfung des Antrags und gegebenenfalls die Nachforderung fehlender Unterlagen. Nach Abschluss der Prüfung wird die Rente entweder bewilligt oder abgelehnt.
Der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente kann auch bequem online gestellt werden. Hierfür können Antragsteller einfach das Online-Portal der Deutschen Rentenversicherung aufrufen und sich registrieren. Für die Registrierung ist ein Identitätscheck nötig. Für diesen können Antragsteller einfach ihren Personalausweis, ihren Reisepass oder ihren Aufenthaltstitel hochladen. Der Antrag kann online ausgefüllt werden. Anhänge können beigefügt werden. Nachdem der Online-Antrag abgeschickt wurde, erhalten Antragsteller eine Eingangsbestätigung. Im Anschluss erfolgt die Prüfung des Antrags. Eventuell werden noch weitere Dokumente angefordert. Nach Abschluss der Prüfung wird die Rente entweder bewilligt oder abgelehnt.
Antragsteller, die sich vor der Antragstellung eine persönliche Beratung wünschen und den Antrag gerne mit Hilfe stellen möchten, können eine Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung aufsuchen. Im Beratungsgespräch wird der Antrag auf EM-Rente meist direkt elektronisch aufgenommen und online weitergeleitet. Der weitere Prozess ist identisch mit der schriftlichen Beantragung der Erwerbsminderungsrente beziehungsweise mit der Online-Beantragung.
3.) Entscheidung über den Antrag und Bearbeitungszeit
Die Bearbeitungszeit der Erwerbsminderungsrente ist oft recht lang, durchschnittlich beträgt die Zeit zwischen Antrag bis zum Entscheid über die EM-Rente mehr als 20 Wochen. Nicht selten müssen Antragsteller aber auch bis zu sechs Monate auf die finale Rückmeldung des Versicherungsträgers warten. Zu Verzögerungen der Bearbeitungszeit kommt es insbesondere dann, wenn Dokumente nachgereicht werden müssen. Auch wenn Unklarheiten bestehen und Gutachter (zum Beispiel von einem Sozialmedizinischen Dienst oder externe Gutachter) eingeschaltet werden, dauert es in der Regel lange bis zur Entscheidungsfindung. Antragsteller haben die Möglichkeit, wenn die Bearbeitungszeit 6 Monate überschreitet, eine Untätigkeitsklage zu erheben, um die Deutsche Rentenversicherung zu einer Entscheidung zu zwingen. Im Widerspruchsverfahren beträgt diese Frist drei Monate, in denen die Behörde entscheiden muss.
Was tun, wenn die Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird?
1.) Widerspruch gegen die abgelehnte Erwerbsminderungsrente einlegen
Viele Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente werden erst einmal abgelehnt. Diese Ablehnung kann unterschiedliche Gründe haben: Häufig werden nicht alle versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ist das medizinische Gutachten negativ, stufen der Reha-Entlassungsbericht und das sozialmedizinische Gutachten den Betroffenen als arbeitsfähig ein.
Betroffene können sich gegen die Entscheidung der Rentenversicherung wehren, indem diese innerhalb eines Monats ab Erhalt des Bescheids Widerspruch gegen die Ablehnung der Erwerbsminderungsrente einlegen. Da meistens die Gründe für die Ablehnung nicht direkt bekannt sind, sollte in einem ersten Schritt Einsicht in die Verfahrensakte beantragt werden. Gemäß § 25 Sozialgesetzbuch X haben Antragsteller ein Recht auf Akteneinsicht. Da die Sachverhalte meist sehr komplex sind, empfiehlt es sich, eine anwaltliche Beratung zum Thema Rente in Anspruch zu nehmen.
Ihr Antrag auf Anerkennung einer Behinderung wurde abgelehnt oder der GdB viel zu niedrig bemessen? Hopkins Rechtsanwälte helfen Ihnen beim Widerspruch.
§ 25 SGB X: Akteneinsicht durch Beteiligte
(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. [...]
2.) Klage vor dem Sozialgericht
Häufig wird auch der Widerspruch gegen den EM-Rentenbescheid zurückgewiesen. Um die Erwerbsminderungsrente doch noch zu erhalten, bleibt die Möglichkeit, vor dem zuständigen Sozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage gegen den Widerspruchsbescheid zu erheben.
Gerichtskosten müssen in diesen Fällen nicht gezahlt werden, wenn der Kläger dem Personenkreis der Versicherten, Leistungsempfänger oder behinderter Personen angehört. Nach Eingang der Klageschrift ermittelt das Sozialgericht den Sachverhalt von Amts wegen. Oft fordert das Gericht hierfür weitere (sozialmedizinische) Gutachten von unabhängigen Medizinern oder dem behandelnden Arzt an. Weiterhin kann auch hier ein Antrag auf zusätzliche Begutachtung durch einen bestimmten Arzt gestellt werden. Die Kosten muss der Kläger dann jedoch selbst tragen.