Arbeitgeber müssen bezüglich Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsaufgaben Rücksicht auf Arbeitnehmer mit Behinderung nehmen (§ 106 Satz 3 GewO). Dabei spielt es keine Rolle, welcher Grad der Behinderung vom zuständigen Versorgungsamt erteilt wurde oder ob eine Schwerbehinderung (ab GdB 50) vorliegt.
Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer Behinderung nicht mehr in der Lage, die ursprüngliche Arbeit auszuüben, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihm stattdessen eine andere vertragsgemäße und der Behinderung gerechte Tätigkeit zuzuweisen. Das Landesarbeitsgericht Köln betonte in einem Urteil, dass die nötigen Anpassungen auch für den Arbeitgeber zumutbar und im Verhältnis stehen müssen (AZ 3 Sa 540/21Z).
Kommt der Arbeitgeber seiner Rücksichtnahmepflicht gegenüber behinderten und schwerbehinderten Arbeitnehmern nicht nach, kann ein Anspruch auf Schadensersatz entstehen.
Es ist die Pflicht des Arbeitgebers, eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, bei der die Fähigkeiten und Kenntnisse des Arbeitnehmers voll verwertet und weiterentwickelt werden können (§ 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX).
Die behinderungsgerechte Beschäftigung umfasst (je nach Anforderungen der jeweiligen Behinderung)
Auch hier gilt, dass die Anpassungen im Rahmen der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber liegen müssen. Das ist etwa der Fall, wenn dadurch andere Arbeitnehmer gekündigt werden müssten oder die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in Gefahr gerät.
Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Mitarbeiter stehen unter besonderem Kündigungsschutz nach §§ 168 ff. SGB IX und dürfen nach der Probezeit nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden.
Wenn ein Arbeitgeber es versäumt, vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen, lässt sich vermuten, dass eine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung vorliegt. In einem solchen Fall besteht für den gekündigten schwerbehinderten Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz (§ 15 AGG).
Nach aktueller Rechtsprechung liegt die Höhe des Schadensersatz bei etwa 1,5 bis 4 Monatsgehältern (brutto). So musste nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts ein Arbeitgeber, der ohne Zustimmung des Integrationsamts gekündigt hatte, einen Schadenersatz in mehr als 3-facher Höhe des Monatsbruttogehalts (plus Zinsen) zahlen (Az. 8 AZR 191/21). Im Fall eines schwerbehinderten Logistik-Mitarbeiters sah das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sogar eine Entschädigung in 4-facher Höhe des Monatsgehalts als angemessen (Az. 10 Sa 49/20).
Gekündigte sollten sich gegen unrechtmäßige Kündigung wehren und einen Anwalt für Arbeitsrecht kontaktieren oder beim zuständigen Arbeitsgericht selbst Klage einreichen. Allerdings ist schnelles Handeln erforderlich: Das Einreichen der Kündigungsschutzklage ist in der Regel nur innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung möglich. Bei erfolgreichem Vorgehen gegen die unzulässige Kündigung kann neben einer Entschädigung eine Abfindung oder eine Wiedereinstellung erreicht werden.