Zum 1. Januar 2022 traten einige Änderungen im deutschen Kaufrecht in Kraft. Mithilfe der neuen Vorgaben sollen insbesondere die europäische Warenkaufrichtlinie sowie die Digitale-Inhalte-Richtlinie umgesetzt werden. Ausschlaggebend dafür, welches Gesetz angewendet werden muss, ist das Kaufdatum. Die Rechte des Käufers bei mangelhafter Lieferung mit Kauf vor dem 01.01.2022 verändern sich mit der Gesetzesnovelle nicht.
Kaufdatum ab 1. Januar 2022
Während einige Neuerungen ausschließlich das B2C-Geschäft betreffen, zielen die meisten Änderungen auf das allgemeine Kaufrecht ab. So ergeben sich neue Anforderungen für Privatverkäufe (C2C), Unternehmerverträge (B2B) und für den Handel mit Verbrauchern (B2C). Diese Neuerungen betreffen sowohl den E-Commerce (also den digitalen Handel) als auch den stationären Einzelhandel.
Seitdem ist außerdem eine Abgrenzung zwischen Waren mit digitalen Elementen, digitalen Produkten sowie analogen Produkten im B2C-Geschäft vorzunehmen. Bei digitalen Produkten handelt es sich um Waren, die in digitaler Form angeboten werden. Typische Beispiele hierfür sind Spiele auf DVDs, CDs und Speicherkarten. Unter digitale Waren fallen darüber hinaus digitale Services, die dem Endverbraucher die Erstellung, Bearbeitung oder Speicherung von digitalen Daten, den Zugang oder die Nutzung der digitalen Informationen ermöglichen.
Die Neuerungen gelten für alle Kaufverträge, die am 1. Januar 2022 oder später abgeschlossen werden.
Die Anpassungen im Kaufrecht mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 sind in dem „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ zusammengefasst. Diesem Gesetz liegt die EU-Richtlinie 2019/771 zugrunde. In dieser Richtlinie sind unter anderem die vertragsrechtlichen Aspekte des Warenkaufs (Warenkauf-RL, WKRL) geregelt. Wenn Sachmängel vorliegen, beziehungsweise eine mangelhafte Ware übergeben wurde, gelten seit Januar 2022 neue Regelungen.
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Was bedeutet mangelhafte Lieferung?
Verkäufer sind rechtlich dazu verpflichtet, Käufern die Ware frei von Mängeln zu überlassen. Sollte der Verkäufer dieser Verpflichtung nicht nachkommen, hat der Käufer einen Anspruch auf Gewährleistung gegenüber dem Verkäufer. Ab wann von einer mangelhaften Ware oder einer mangelhaften Lieferung gesprochen werden kann, war in der Vergangenheit oft strittig. Mit den Änderungen des deutschen Kaufrechts zum 1. Januar 2022 sind die Vorgaben eindeutiger.
Die Ware muss zum einen der von den Vertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit entsprechen. Zum anderen muss die Ware den Montageanforderungen sowie den objektiven (branchenüblichen) Anforderungen genügen. Folglich kann eine Ware auch dann Mängel aufweisen, wenn diese die Beschaffenheit aufweist, die die Vertragsparteien im Vorfeld vereinbart haben. Anstatt von Mangelfreiheit wird dann häufig von Vertragsmäßigkeit gesprochen.
Kriterien für eine mangelfreie Ware
Grundsätzlich gilt die gelieferte Ware als mangelfrei, wenn folgende Kriterien erfüllt werden:
- Die Ware weist die vereinbarte sowie die branchenübliche Beschaffenheit auf.
- Die Ware kann für ihren eigentlichen Zweck beziehungsweise für den im Kaufvertrag vereinbarten Zweck verwendet werden.
- Das vereinbarte Zubehör wird bereitgestellt.
- Die vereinbarte Anleitung (Montage- oder Installationsanleitung) liegt bei.
- Die Ware entspricht den jeweiligen Montageanforderungen.
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Wie lange geht die Gewährleistungsfrist?
Generell haften Verkäufer für alle Mängel, wenn die Ware dem Käufer nicht mangelfrei überlassen wurde. Käufer haben nach Übergabe 12 Monate Zeit, den Verkäufer haftbar zu machen. Der Verkäufer muss in diesem Fall haften, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Mangel bereits bei der Übergabe bestanden hat.
Mit Ablauf der Frist von 12 Monaten greift eine sogenannte Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass der Käufer ab diesem Zeitpunkt beweisen muss, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorlag. Andere Fristen gelten ausschließlich für digitale Waren oder Waren mit digitalen Elementen. In diesen Fällen greift die Aktualisierungspflicht. Das bedeutet, dass der Verkäufer Gewährleistungsfristen anbieten muss, die über den Zeitpunkt der Auslieferung hinausgehen.
Kann der Verkäufer die Gewährleistung ausschließen?
Der Verkäufer darf nicht einfach einseitig eine Gewährleistung ausschließen. Der Ausschluss einer Gewährleistung ist nur dann möglich, wenn der Käufer dieser zustimmt. Dies ist in der Praxis nur selten der Fall, da nur wenige Käufer bereit sind, einfach auf ihre gesetzlichen Ansprüche zu verzichten.
Bei privaten Verkäufen erschwert zusätzlich das Verbraucherschutzrecht den Ausschluss von gesetzlich geregelten Gewährleistungsansprüchen. Im B2B-Business hingegen ist der Ausschluss der Gewährleistung grundsätzlich möglich. Jedoch muss der Käufer diesem beim Abschluss des Vertrages ausdrücklich zustimmen.
Typische Formulierungen des Gewährleistungsausschlusses, bei denen Gerichte teilweise eine Unwirksamkeit angenommen haben:
- „Gekauft wie gesehen.“
- „Unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.“
Grundsätzlich gilt: Wenn die Gewährleistung ausgeschlossen ist, kann ein Käufer mangelhafte Ware beim Verkäufer nicht mehr reklamieren.
Der Gewährleistungsausschluss ist ungültig, wenn der Verkäufer garantiert hat, dass die Ware frei von Mängeln übergeben wird, oder wenn dieser einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Vollkommen unabhängig von der Gewährleistungspflicht hat der Käufer ein Recht auf Anfechtung. Wenn der Verkäufer Mängel arglistig verschweigt, müssen diese mit einer Anfechtung des Kaufvertrages rechnen. Allerdings ist der Käufer dann in der Beweispflicht: Dieser muss dem Verkäufer nachweisen können, dass dieser einen Mangel absichtlich verschwiegen hat. Dies kann in der Praxis schwer werden.
§ 444 BGB: Haftungsausschluss
Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.
Verjährung der Gewährleistungsfrist
Bei der Gewährleistungsfrist greifen seit dem 1. Januar 2022 einige Neuerungen. Die Gewährleistungsfrist für Mängel beim Warenkauf gilt weiterhin zwei Jahre. Hinzugekommen sind zwei weitere Ablaufhemmungen. Diese können die Gewährleistungsfrist verlängern. Wenn Käufer zum Beispiel im 23. Monat Gewährleistungsansprüche geltend machen, verlängert sich die Gewährleistung automatisch um weitere vier Monate ab dem Zeitpunkt, an dem der Mangel aufgetreten ist. Dies hat zur Folge, dass sich die reguläre Verjährungsfrist auf bis zu 28 Monate verlängern kann.
Außerdem gibt es laut Gesetzgeber nun eine weitere Ablaufhemmung: Wenn der Verkäufer einen Mangel, der innerhalb der Gewährleistungsfrist geltend gemacht wird, beseitigt, verlängert sich die Gewährleistungsfrist um zwei Monate ab dem Zeitpunkt der Vertragsnacherfüllung. So haben Endkunden die Möglichkeit, in aller Ruhe zu überprüfen, ob der Mangel tatsächlich vollständig behoben werden konnte.
Rechte des Käufers bei mangelhafter Lieferung – Gewährleistungsanspruch durch Nacherfüllung
Gemäß dem neuen Kaufrecht haben Verkäufer erweiterte Pflichten hinsichtlich der Nacherfüllung. Von diesen neuen Regelungen sind nicht nur Verbrauchsgüterkäufe, sondern auch Kaufverträge zwischen allen möglichen Vertragsparteien betroffen. Das bedeutet, dass auch Verträge zwischen Privatpersonen oder Verträge im B2B-Segment von den neuen Regelungen betroffen sind.
Wenn der Verkäufer die Nacherfüllung der Kaufsache vornimmt und die Ware ersetzt, muss dieser das erste Produkt zurücknehmen und hierfür auch die Kosten tragen. Wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, muss der Verkäufer die Nacherfüllung unter der Voraussetzung erfüllen, den Käufer nicht erheblichen Unannehmlichkeiten auszusetzen.
Darüberhinaus muss die Nacherfüllung innerhalb eines angemessenen Zeitraums ab Meldung des Mangels erfolgen. Bei der Nacherfüllung muss der Verkäufer immer die Art und den individuellen Verwendungszweck der Ware beachten. Der Käufer ist dazu verpflichtet, dem Verkäufer die Möglichkeit zu geben, die Nacherfüllung vorzunehmen. Das bedeutet beispielsweise, dass der Käufer dem Verkäufer die Ware zeitnah nach Meldung des Mangels zusenden muss.
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Rücktritt vom Kaufvertrag
Der Käufer musste bisher bei einem Mangel den Verkäufer schnellstmöglich informieren und diesem ausreichend Zeit gewähren, den Mangel zu beheben.
Der Käufer durfte erst vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn…
- der Verkäufer sich nicht um die Beseitigung des Mangels gekümmert hat,
- die Beseitigung des Mangels zweimal fehlgeschlagen ist,
- oder bei einer endgültigen Weigerung des Verkäufers.
Dies wurde damit begründet, dass der Verkäufer innerhalb einer angemessenen Frist die Chance haben sollte, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Erst nach dem erfolglosen Verstreichen der Frist oder der erfolglosen Nachbesserung war der Käufer dazu berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten.
Definition: Rücktritt vom Kaufvertrag
Wenn ein Käufer von einem Kaufvertrag zurücktritt, ist dieser dazu verpflichtet, dem Verkäufer die Kaufsache zurückzugeben. Die Rückgabe ist durch Zusendung oder durch eine persönliche Übergabe möglich. Wenn dem Käufer für die Rückgabe Kosten entstehen, müssen diese vom Verkäufer übernommen werden.
Der Verkäufer muss dem Käufer nach der Rückgabe der Ware den Kaufpreis erstatten. Die Pflicht zur Rückerstattung tritt auch dann ein, wenn der Käufer nachweisen kann, dass er die Sache zurückgegeben beziehungsweise zurückgesandt hat. Als Nachweis reicht beispielsweise ein Einlieferungsbeleg von der Post. Der Verkäufer darf somit nicht mehr den tatsächlichen Eingang der Ware abwarten. Er ist unverzüglich zur Erstattung des Kaufpreises verpflichtet.
Fristen für den Rücktritt vom Kaufvertrag
Seit dem 1. Januar 2022 muss der Käufer keine Frist für den Rücktritt vom Kauf setzen, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen hat.
Eine Fristsetzung ist auch dann entbehrlich, wenn der Käufer Schadensersatz statt der Leistung fordert. In beiden Fällen ist es ausreichend, wenn der Käufer den Verkäufer über den Mangel in Kenntnis setzt. Der Verkäufer muss dann schnellstmöglich reagieren. Sollte keine zeitnahe Reaktion erfolgen oder sollte der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, darf der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Die genaue Dauer der Zeitspanne ist abhängig von individuellen Umständen. Wenn der Käufer dem Verkäufer trotzdem eine Frist setzt, ist dies unschädlich.